Die Geschichte der Jute: von der Pflanze zum Garn


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Sobald die Jutepflanzen aus dem Boden gezogen wurden, werden sie in Wasser eingeweicht, um sie für das Entfernen der Filamente ausreichend weich und geschmeidig zu machen. Diese werden dann getrocknet und nehmen dabei eine deutliche Goldfärbung an. Anschließend werden sie für den Transport zur Garnspinnerei vorbereitet.

Ich hatte das große Glück, genau zur richtigen Zeit in Bengalen zu sein. Die Konditionen sind nicht immer so perfekt, so wurde mir gesagt. Der diesjährige Monsun war in diesem Bezirk, der für seine feinen Sorten bekannt ist, gut gewesen, so dass die Pflanzen früh geschnitten werden konnten. Im Norden des East Bogura District hatten schwere Überschwemmungen die Ernte praktisch vernichtet. Eine weitere Erinnerung daran, wie anfällig die Region für den Klimawandel ist und wie sich dies von Saison zu Saison negativ auf Jute auswirken kann.

Sobald die Jutepflanze aus dem Boden gezogen wurde, hackt der Bauer die Wurzeln ab und stapelt etwa 50 Stängel samt Blättern zu einem Bündel, und verschnürt sie mit abgeschälter grüner Rinde, die aus der vorherigen Wasserröste übrigblieb. Anschließend trägt er das lange Bündel hinauf zur Zufahrtsstraße, überquert diese, und bahnt sich einen Weg durch den Verkehr der dahintergelegenen zweispurigen Schnellstraße. Auf der anderen Seite befindet sich ein Abhang hinunter zum Fluss.

Die äußere Epidermisrinde einer Jutepflanze ist beim Zuschneiden hart und muss durch Einweichen in sauberem Wasser für einige Tage aufweichen. Die Wassertemperatur und der Wasserdurchfluss bestimmen den kritischen Zeitpunkt, bevor Bakterien Filamente beschädigen können. Die Rinde lässt sich abziehen, ähnlich wie die Rinde eines Holunderstrauches. 

Die hellgrüne Rinde wird ebenso verwendet, um Filamentbündel oder das innere Xylem­ zu verschnüren. Die langen holzigen Hohlstöcke, die zur Anordnung von Filamentbündeln verwendet werden, wenn diese zum Abfließen aus dem Wasser entnommen werden, dienen ebenso als Dach- oder Bodenmaterial in den Wohnhütten. Nichts wird verschwendet. 

Der innere Xylemkern der Pflanze ist wie ein holziger Strohhalm mit einem Innendurchmesser von ø3–4mm, der Wasser durch die Pflanze saugt. Jutepflanzen wachsen bis zu einem Meter pro Monat. Der starke hydrophile Charakter der Pflanze ist unverkennbar. Sie benötigt sehr viel Wasser – sehr viel. Der Beginn und der Verlauf des Bay of Bengal Branch Südwestmonsuns ist von entscheidender Bedeutung. 

Die lange Jutefaser wird in mühsamer Handarbeit aus dem Kortex zwischen Rinde und Xylem entnommen. Für diesen Arbeitsschritt gibt es keine Mechanisierung. Ich brachte Proben von Pflanzenstängeln als Beispiele mit nach Hause. Sobald die Pflanze getrocknet ist, sind die Fasern praktisch fest.

Nach der Wasserröste wird die Faser weiter enthärtet, erst in Wasser eingeweicht und dann gewaschen. Wenn sie dem Wasser entnommen wird, hat sie immer noch eine matte hellgrüne Farbe. Photosynthese offensichtlich.  Der Bauer schleudert sie ein letztes Mal in den Fluss, bevor er sie zu kleinen kompakten Bündel schnürt. Der Fasergehalt von 30 bis 50 Pflanzen ist erforderlich, um ein 8 m langes Seil von ø6 mm herzustellen.

Er transportiert sodann dann die Bündel auf einem klapprigen alten Dreirad mit einem rauen hölzernen Brett, das als Ladefläche dient über die beiden Zufahrtsstraßen und die zweispurige Schnellstraße. Das Dreirad hat weder Pedale noch Kette. Vater und Sohn schieben und ziehen es in unerträglicher Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit durch den abwechselnd stockend und rasenden Verkehr. Es ist schwer zu glauben, aber beide ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, ignorieren das Hupen der nahenden Lastwagen, der Busse und der Autos. 

Zurück auf der anderen Straßenseite, oberhalb der Anbaufläche, öffnen seine Frau, seine Tochter und sein jüngster Sohn die nassen Bündel, verknoten die Enden und hängen die Filamente zum Trocknen in die Sonne, wobei die Fasern schnell eine goldene Farbe annehmen. In diesem Stadium sind noch viele Verunreinigungen vorhanden – Wurzelspitzen, gummiartiges Blattmaterial und die dunkel gefärbten Ansätze, wo während des Wachstums kleine Verzweigungen aufgetreten sind.

Bei der Inspektion der trocknenden Fasern erklärte uns unser bengalischer Übersetzer die verschiedenen Pflanzen. Ich fragte, ob das Tossa Jute ist, was zu einiger Verwirrung führte. Ich fragte wieder: „Ist das Corchorus Olitorius?“ Lateinische Begriffe sind hier nicht bekannt. "Tosha", wird uns gesagt. Es gibt 3 Jutesorten: Meshta, Tosha und Shuti, oder wie wir sie kennen, Tossa und White. Zwei Wörter die es in Bengalisch nicht gibt. Die Jutebauern in dieser ländlichen Region kennen keine Fremdsprachen.


Shuti gilt als die beste Faser, aber da die Samen dieser Sorte früher gepflanzt werden müssen, ist die Pflanze anfälliger für Schäden, sollte der Monsun zu spät eintreffen. Shuti-Pflanzen werden nicht so hoch wie Tosha und die Filamente sind entsprechend kürzer. Dies limitiert ihre Verwendung für Tauwerk und wird daher vorwiegend als Garn für die Bekleidungsindustrie verwendet. Das optimale Material für ein hochwertiges Seil ist Tosha aufgrund seiner Feinheit, Festigkeit und, sofern es die beste Qualität ist, für seine Weichheit und Farbe. 

Die niedrigste Qualität ist die Meshta-Faser, sie ist stumpfer und stacheliger und stammt nicht von einer Corchorus-Sorte. Seine Hauptverwendung ist für Sackleinen und Hessian-Stoffe. Sie wird bei der Chargenverarbeitung oft mit minderwertiger Tosha-Faser gemischt sowie mit Tosha und Shuti Schnittabfällen. Der Jutebauer erklärt, dass es zu jeder Sorte wiederum Untersorten gibt, von denen viele seit den 1970er Jahren vom National Jute Laboratory entwickelt wurden, um widerstandsfähiger gegen Trockenzeiten, Bakterien, Schädlingen und Pilze zu sein. Leider gibt es keine nicht-bengalischen Wörter, um sie zu beschreiben. Kiyonori san erklärt, dass sie niemals die billigere, rauere Meshta verwenden und dass die wenigen japanischen Experten Tosha, Shima-tsunaso und Shuti, Nagami-tsunaso nennen. 

Sobald die Jute getrocknet und von den örtlichen Genossenschaften zu Morah-Ballen gefaltet wurde, senden die Garnspinnereien ihre Einkäufer zu den Landwirten und Speditionsunternehmen sammeln die Ballen ein. Diese Einkäufer bestimmen auf den Qualitätsgrad (Klasse) der einzelnen Chargen. Die Landwirte erhalten für Ihre Arbeit nur etwa US$0,50 pro Kilogramm. Von der verkauften Jute wird etwa nur die Hälfte gut genug sein, um sie zu einem Seil guter Qualität zu verarbeiten. 

Es erfordert die gesamte Arbeitsanstrengung eines solchen typischen Familienbetriebs um im März 300-400 Samen pro Quadratmeter zu pflanzen, bis zur Ernte, die von Juli bis September dauert; alles in abhängig von den Gunsten der Saison. Das Schneiden, Binden, Transportieren, Einweichen, Ablösen der Fasern, Waschen und Bündeln, Trocknen und Morahballen-Falten für den Transport zur Mühle wird vielleicht genug einbringen, um das Äquivalent von ein paar hundert Dollar pro Jahr zu erwirtschaften. 

Der größte Teil der Ernte wird durch die Hände skrupelloser Händler gehen, was oft die Kosten für Roh-Jute für die Garnfabriken mehr als verdoppelt. Diese werden den Markt je nach Nachfrage aushungern oder überschwemmen, trotz der besten Bemühungen der Regierung, diese zu stoppen. Die Region ist ohne vertrauenswürdige Kontakte schwer zu bewältigen, und es ist sehr leicht, betrogen zu werden.

 



 

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